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Von Feuertempeln zu Bankenvierteln - Eine kunstgeschichtliche Reise durch den Iran

An der Universität Wien ist es Teil des Master Studiengangs „Kunstgeschichte“, eine Auslandsexkursion zu absolvieren. Im Wintersemester 2016/17 wurde eine Exkursion nach West- und Zentraliran durch die Initiative der Professur für Islamische Kunstgeschichte am Institut möglich gemacht. Das Institut für Kunstgeschichte bietet als eine der wenigen in Europa überhaupt ein solches Lehrangebot an. Insgesamt nahmen 22 StudentenInnen diese Chance wahr. 
Ja, wir machten uns Gedanken, vielleicht sogar Sorgen. Immerhin - wieviel wussten wir schon über das Land, das sich „Iran“ nennt? Da gibt es die Nachrichten und Meinungen von Freunden und Bekannten, aber kaum jemand kannte dieses Land wirklich. Die Erwartungen gingen auseinander, Vorstellungen bildeten sich, die wir auf den Prüfstand stellen wollten. 
An einem Samstag spät Nachmittags im November landen wir in Teheran. Der Flughafen ist übersichtlich, durch die Pass- und Visakontrolle kommen wir zügig. Auch die Koffer sind schnell in unserem Besitz und so geht es mit dem Bus weiter ins Hotel. Der Verkehr ist dicht. Es ist spannend anzusehen, wie die Autos sich um uns bewegen, chaotisch, aber in ihrem ganz eigenen Rhythmus - hupend statt blinkend. Ein Spektakel! Einzelne Lichter erhellen uns noch unbekannte Straßen und Plätze. Wir sind tatsächlich angekommen. Nun heißt es den Iran entdecken, die Kunst sehen, die Leute kennenlernen. 



Wir beginnen in Teheran. Genauer gesagt vor dem Nationalmuseum. Es geht zunächst um die iranische Kunstgeschichte. Wir sprechen über das französische Monopol in Sachen iranischer Archäologie bis 1906, bis zur konstitutionellen Revolution und dem danach entstehenden historischem Nationalismus. 1917 wurde das erste Nationalmuseum mit 300 antiken Objekten erbaut. 1922 folgte die Gründung der „Society for National Heritage“, die die Errichtung von Gebäuden erließ, die eine Verbindung zur iranischen Geschichte aufweisen sollten. Der Stil der Architektur und der Rückgriff auf ein historisierendes Programm sollten Kontinuität iranischer Geschichte vermitteln. In diesem Sinne greift auch das heutige Nationalmuseum in seiner Mitte, dem Iwan, zurück auf ein sassanidisches Architekturelement, ca. 5./6. Jh., welches so am Taq-e Kesra in Ktesiphon zu sehen ist. 


Danach geht es in das Museum. Es befinden sich ca. 300.000 Artefakte aus Persepolis, Ismail, Abad, Shush, Rey und vielen weiteren darin. Nach einem langen und aufmerksamen Blick hinein und einer ersten Einführung in die Geschichte und Archäologie des Landes, ziehen wir weiter. Unser Zeitplan ist straff und wir wollen so viel sehen wie möglich. 
In der Hauptstadt besuchen wir auch noch den Gulistan-Palastkomplex, wo wir den Marmorthron von Fath Ali Shah bewundern, einen Gang durch den Bazar machen und dort, inmitten des scheinbaren Chaos, unser erstes, iranisches Essen zu uns nehmen. 
Es geht weiter nach Qazvin, wo wir nicht nur die alte Haydariye Madrase besuchen, deren Stuckdekorationen in ihrer Vielfalt und Komplexität uns den Atem rauben, sondern auch den Hof einer Moschee betreten, dessen Backsteindekor und großzügige Ausmaße uns eine Weile festhalten. 
Auch erleben wir in Qazvin das erste Mal den Verkehr hautnah. Nicht nur, dass sich unser Busfahrer durch die engen Gassen quetscht, als hinge seine Ehre davon ab. Wir gehen auch zu Fuß und lernen, dass man keine Ampeln braucht, um über die Straße zu gehen - zumindest lernen wir, dass wir darauf nicht vertrauen sollten, und legen unsere Scheu vor den Autos ab. Gehen heißt das Motto! 
Am Tag danach stehen wir auf einem alten Vulkan, in 2200 Meter Höhe, nachdem wir mit dem Bus durch karges Bergland und durch kleine Dörfer aus Lehm gefahren sind. Eine Ruine erwartet uns. Vorislamische Zeit. Takht-e Solayman. Ein sassanidischer Feuertempel. In der Mitte des Areals ein tiefblauer See. Steine, eingefallene Mauern und doch noch zu erkennen: Die Ausmaße des Ganzen. Daneben und mitten drin Ruinen eines mittelalterlichen islamischen Palastes, dessen Säulen noch im Ansatz zu sehen sind. Ein Belvedere vielleicht, zwischen dessen ehemaligen Wandaussparungen wir stehen und in das Tal darunter sehen. Ein Jagdpalast, es ist vorstellbar, wenn man dort oben steht und alles zu überblicken vermag. 
Auch Persepolis ist eine Ruine, nur besser erhalten. Stufen aus Stein, an deren Wänden die Soldaten des Heeres der 10.000 Wache halten. Aber auch die Provinzen des damaligen Reiches werden dargestellt. Sie kommen mit Geschenken, denn in Persepolis wurde Neujahr gefeiert. Hochgewachsene Säulen stehen alleine dar, trotzen der Zeit, während über dem Palastkomplex ein Relief in den Fels gehauen thront. 
Besondere Highlights unserer Reise sind die Orte, die wir eigentlich erst erreichen, wenn es schon zu spät ist. Wenn also die Sonne sich bereits verabschiedet, der Himmel düster wird und die Architektur sich aus der Dunkelheit nur mithilfe von Spots schält. So in Sultanyia, ein ilkhanidisches Monument, in dem wir erkennen, dass manche Dekorationen nicht nur abstrakte, geometrische Muster bilden, sondern tatsächlich Schrift und Worte. Wo wir eine steile Treppe hinauf steigen, um von dort über die Stadt zu sehen, während der Sonnenuntergang alles in oranges Licht taucht. 
Oder aber Tschoga Zanbil, eine Ziggurat aus der Zeit Mesopotamiens, welches wir erst Nachts erreichen. Es ist ein Umweg nötig, die Busfahrt zieht sich in die Länge, wir schlafen oder fragen uns, wohin es geht. Doch all das Sitzen und Warten ist entschädigt in dem Moment, in dem wir die Ziggurat sehen. Beleuchtet durch Spotlights, ein enormes Gebäude, dessen steile, helle Wände trotzig in die Nacht ragen. Wir sind alleine auf dem Berg, nur unsere Gruppe, die im Angesicht der Steine aus der Zeit 1300 v. Chr. nur staunen kann, dem Wind und dem Sand zum Trotz. 
Unser Weg führt uns an der Grenze zum Irak entlang, über Kermanshah und Shushtar bis nach Shiraz und schließlich nach Yazd. Wir spüren die klimatischen Veränderungen, aber auch die Unterschiede in den Städten, die wir passieren. Unsere Gruppe ist ein Magnet der Aufmerksamkeit. Doch die Aufmerksamkeit ist keineswegs unangenehm - im Gegenteil. Ausschließlich freundlich und interessiert begegnen uns die Menschen, auf die wir treffen. Sie lassen uns Teil haben an ihrer Geschichte, ihren Erfahrungen und ihrem Leben. Selbst ein französischer Chanson gesungen auf einem Gehweg, inmitten des Gedränges, von einem iranischen Lehrer ist Teil dieser Erfahrung. 
Ab Isfahan werden unsere Busfahrten kürzer, dafür die Aufenthalte in den Städten länger. Kashan ist noch auf unserer Liste und dann geht es auch wieder zurück nach Teheran. 
Was haben wir gesehen und gelernt? Wir begannen beim Nationalmuseum und sprachen über iranische Kunstgeschichte und den Stellenwert der iranischen Kunst und Architektur im eigenen Land, den Historismus. Wir betraten alte Ruinen. Lernten über die vorislamische Zeit, ihre Tempel, Götter und Könige mit ihren monumentalen Felsreliefs. 
Danach sahen wir Moscheen und ihre verschiedenen, teils feingliedrigen, teils komplexen und ausgefeilten Dekorationen. Seien sie aus Stuck, Backstein oder Mosaik. Wir lernten die Monumente anhand der Dekoration zu datieren und ihre manchmal nur sehr kleinen Unterschiede in der Farbgebung wertzuschätzen und zu erkennen. 
Wir hinterfragten den Bau von Minaretten, wägten Nutzen und Bedeutung ab. Sahen Windtürme, die der Hausarchitektur entstammen, Moscheen schmücken, wie an der Moschee-Madrasa Aqa Borzog in Kaschan, um 1840, und setzten uns mit den verschiedenen Gewölbeformen auseinander. Seien es die Tonnengewölbe in ihren unterschiedlichen Ausprägungen, von rund bis spitz, oder die Muqarnas-Gewölbe, die mit der Zeit immer aufwändiger wurden. 
In diesem Kontext sind auch die Inschriften und Inschriftenbänder hervorzuheben, die Iwane und ganze Hoffassaden schmücken, aber auch Bögen und die Mihrab zieren. Ein besonders gutes Beispiel hierfür ist die bereits erwähnte Haydariye Madrase, in der sich Inschrift und Blumendekor so verzahnen, dass sie ein kompliziertes, aber einnehmendes Gebilde um die Mihrab formen, gerade so, als entspränge sie aus der Kuppel, würde aus den Blumen und der Schrift wachsen. 
Erwähnenswert sind die grünen Oasen, die inmitten der trockenen Wüstenlandschaft blühen und, umfangen von Mauern, ein kleines Paradies hüten. Ehemals wurde Wasser durch einen Qanat, einen unterirdischen Schacht, von einer Quelle in den Bergen, bis in die Stadt gebracht. Zu allererst versorgte es den Garten, erst dann erhielten die restlichen Stadtbewohner Zugriff auf das Wasser. Der Garten schmückte sich mit Pinien, um Schatten zu spenden, unter denen man flanieren konnte und heute noch kann. Aber auch mit Fruchtbäumen und Blumen, die einluden zu verweilen. Axial sind die meisten Gärten aufgebaut. In ihrer Mitte ein Becken mit Wasser samt Wasserspielen. Am Ende der Längsachse, wie im Bagh-i Daulatabad in Yazd, ein Gartenpavillon mit zwei Stockwerken, von dem aus der Garten zu überblicken ist. In seinem Inneren ein Wasserbecken, darüber ein Windturm, der für Durchzug und Abkühlung sorgt.  
Wir widmeten uns auch der gegenständlichen Malerei, gerade die des 17. Jahrhunderts. So zu sehen zum Beispiel in Alī Qāpū in Isfahan. Dort sitzen und liegen im Musikzimmer an den Wänden der Nischen und im Innenraum Einzelfiguren, aber auch Liebespaare. Sie orientieren sich an der Miniaturmalerei, doch lassen sich europäische Einflüsse im Hintergrund erkennen. 
Der Einfluss europäischer Kunst in der iranischen Malerei lässt sich noch besser in Chihil Sutun, ebenfalls in Isfahan, beobachten. So gibt es in der Audienzhalle Bilder, die das höfische Leben porträtieren. In den Gewändern der Figuren, der versuchten Zentralperspektive, der Komposition im Allgemeinen und der Modellierung der Körper durch Hell-Dunkel Kontraste lassen sich die Einflüsse festmachen.
Am Ende führte uns der Weg wieder zurück an den Anfang. Hin zum Nationalmuseum und dem modernen Teheran. Wir gingen weit zurück, kamen über die Feuertempel und Moscheen bis hierher, in die Banken- und Regierungsviertel der Hauptstadt, in der wir so vieles wieder erkennen. Vor allem Persepolis begegnet uns in modernisiertem Gewand am Justizpalast und andernorts erneut. 
Auf dieser Reise haben wir viel gelernt. Nicht nur über die Kunst im Iran, sondern auch über das Land und seine Leute. Unsere Sorgen wurden zerstreut. Viele Bilder, die wir zu diesem Land hatten, stellten sich als unwahr heraus und wir konnten sie mit so viel positiveren Eindrücken überschreiben. Es war eindeutig eine Reise wert - wahrscheinlich auch eine zweite! 






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